Klares Fazit nach Hans Danners Vortrag „Moderne hat bei uns Tradition“
Traunreut feiert dieses Jahr das 75-jährige Gemeindejubiläum. Zu diesem Anlass wurde in den vergangenen Monaten in einer Vortragsreihe ein Blick in die Geschichte geworfen. Am Donnerstag referierte Ortsheimatpfleger Hans Danner im Heimathaus vor etwa 40 Besuchern über die Architektur- und Stadtplanungsideen der Moderne, die hinter der Anlage der heutigen Stadt Traunreut stehen.
Um die bauliche Entwicklung von Traunreut zu verstehen, muss man noch viel weiter als nur 75 Jahre zurückgehen. Hans Danner ging daher zunächst auf die Lebens- und Wohnsituation der Menschen zu Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Zeiten, in denen eine klassische Familie häufig noch in einem Zimmer zusammenlebte. Die visionären Vertreter der Moderne wollten bewusst Stadtplanung neu überdenken und alte Ideen hinter sich lassen. Es galt vor allem Probleme zu lösen, vor denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Städte standen: Zu enger Wohnraum, schwierige Verkehrslagen und wenig Erholungsmöglichkeiten für die Arbeiter.
1933 wurde die wegweisende „Charta von Athen“ verabschiedet. Darin hatten Stadtplaner und Architekten ihre Ideen für die moderne Stadtentwicklung zusammengefasst. Die Stadt sollte demnach eine funktionelle Einheit von Wohnen, Arbeiten, Erholen und Be-wegen ergeben, mit dem Wohnen im Zentrum – ganz im Gegensatz zu den wild gewachsenen Städten des 19 Jahrhunderts. Auch Freizeit- und Grünanlagen wurden den jeweiligen Wohngebieten zugeordnet. Dieses Konzept wurde dann vor allem in Deutschland in die „gegliederte und aufgelockerte Stadt“ weiterentwickelt: Siedlungen sollten auf die Menschen zugeschnitten werden mit strukturierten Siedlungs- und Nutzbereichen, aufgelockert durch Grünzüge und Naherholungsgebiete.
Springen wir nun ins Jahr 1948, also zwei Jahre vor die Gemeindegründung der heutigen Stadt Traunreut. Hatten sich in den Gebäuden der früheren MUNA bereits verschiedene Firmen und Betriebe angesiedelt, nahm mit der Ankunft von Siemens die Planung der heutigen Stadt wirklich Fahrt auf. Der Werksleiter Walter Mohr brauchte Wohnraum für seine Mitarbeiter und kam in Kontakt mit dem Architekten Josef Rackl aus Seebruck, der 100 Wohnungen für die Arbeiter des neuen Werkes bauen sollte.
Diese beiden prägten in den nächsten Jahren die Stadt und brachten ihre modernen Ideen ein. War zunächst eher eine Werkssiedlung nach klassischem Siemensbild (wie beispielsweise die Siemensstadt in Berlin) geplant, wurde schnell klar, dass in anderen Dimensionen gedacht werden musste. Eine eigene Kommune sollte geschaffen werden, mit einem klaren modernen Bild. Rackl verlegte in seinem Modell das Zentrum vom St. Georgs-Platz in die Mitte der geplanten Stadt, wo sich heute der Rathausplatz befindet. Dort trafen sich zwei neu geschaffene Tangenten: Die Kantstraße – Traunwalchener Straße als Nord-Süd-Verbindung und die Nansen- und Köttgenstraße als Ost-West Verbindung. Das Gewerbegebiet sollte zwischen den Wohngebieten am St. Georgs-Platz und denen südlich des Rathausplatzes liegen mit dem klaren Versorgungszentrum am Rathausplatz mit Rathaus, Bank, Post und Hotel.
Die Adalbert-Stifter-Straße war in Rackls Modell als Boulevard angelegt, der zwei Wohngebiete durch einen Grüngürtel voneinander trennte. Die Eichendorffstraße trennte das Wohngebiet von Gewerbetrieben. Auch die Form des Rathausplatzes, mit dem freien Blick auf die katholische und die evangelische Kirche sowie die bewusste Anordnung der Geschäftshäuser wurde genauso von Rackl angedacht. Ebenso waren die Plätze für die Schulen wurden damals schon mitgeplant. Mit der Einweihung der Realschule 2004 wurde die Planung Rackls sozusagen fertiggestellt, acht Jahre nach dem Tod des Visionärs. Man kann daran sehr gut erkennen, wie weitsichtig die Stadtplanung von Josef Rackl damals schon war und wie prägend seine Sicht auf die Stadt bis heute ist.
Hans Danner ging in seinem Vortrag auch auf die verschiedenen Architekturstile ein, die in Traunreut bis heute zu finden sind. Die 50er Jahre oder die Nachkriegsmoderne 1 war beispielsweise geprägt von einem Stil, der vor allem Leichtigkeit transportieren wollte. Die Häuser sollten nicht mehr repräsentativ an der Grundstücksgrenze gebaut werden, sondern wurden in die Mitte des Grundstücks gesetzt. Das verbrauchte zwar mehr Platz, war aber bewohnerzentriert und brachte Grünflächen in die Stadt (siehe Foto der Adalbert Stifter Straße).
Die 60er Jahre brachten neue Wohngebiete nach Traunreut. Zunächst war Traunreut für 2500 Bewohner angelegt worden, 1959 wohnten schon fast 6000 Personen hier. Zur Stadterhebung 1960 baut die Bau- und Siedlungs-Gesellschaft (BSG) ein neues Zentrum im Nordosten. „Bauen Sie mir 1000 Wohnungen, Herr Wachsmann!“ war die Ansage des damaligen Bürgermeisters Franz Haberlander an den späteren Stadtrat, der federführend den Nordosten plante. Dieser Stadtteil wurde als Einheit geplant und auch mit einem neuen Zentrum umgesetzt. Bäckerei, Metzgerei, Hotel und Supermarkt wurden am heutigen Württemberger Hof (schließlich war die BSG aus Württemberg) im Jahr 1968 eröffnet.
Heute wächst Traunreut wieder über seinen Gürtel hinaus, mit neuen Wohngebieten und Gewerbeflächen an den Rändern. Gleichzeitig findet aber auch eine Rückbesinnung auf die früheren Ideen statt. So sollen die Kantstraße und die Eichendorffstraße den Bewohnerinnen und Bewohnern wieder mehr als Freizeit- und Erholungsflächen zur Verfügung stehen. Hans Danner endete seinen Vortrag mit der Frage, ob denn Traunreut nun ein Kunstwerk sei. Er beantwortete diese mit einem klaren Ja, denn nicht nur sei die Stadtpla-nung ein eigenständiges Werk, welches bis heute Bestand hat, sondern für Traunreut
war auch immer die Kunst im Stadtgebiet sehr wichtig. Hier steht Street Art, wie an der neuen Kulturpassage, neben Werken der Moderne, wie dem Flötenspielerbrunnen am Rathausplatz. Insgesamt muss man laut Danner Traunreut als Gesamtkunstwerk sehen, bei dem sich bis heute die Ideen der Stadtplanung von Josef Rackl bewährt haben.
„Es ist beeindruckend, mit wieviel Weitsicht und Gespür Josef Rackl unsere heutige Stadt geplant hat – und es ist eine Ehre, dass wir seine Ideen zum Beispiel mit der Neugestaltung der Kantstraße oder der Eichendorffstraße weiterleben dürfen”, so Erster Bürgermeister Hans-Peter Dangschat.
Die Reihe „Der Traunreuter Weg – 75 Jahre Gemeinde“ endet am 25. Mai mit einem Tag der offenen Tür am Museumsdepot in Traunwalchen.